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16. 4. 2000
Das Ende der Welt (Erbler Rudolf)

Es war eine klare Mondnacht, als ich mit meinem Schiff ans Ende der Welt gelangte. Vor mir stürzte das Meer in die Tiefe. Dies war wohl nicht die geeignete Beschreibung des Schauspiels, welches sich mir in diesem wunderbaren Augenblick bot. Das Wasser verlor sich in unsichtbarer Weite und verbarg das Geheimnis dieses endgültigen Endes der Welt in einem warmen glitzernden Sprühregen. Es war der Mond, welcher sich mit den feinen Wassertropfen spielte, die aus der Unendlichkeit wieder in die Endlichkeit dieser Welt emporstiegen.

Der Wind trieb mich dieser geheimnisvollen Weite zu und die Versuchung wurde zur Qual, das Schiff noch rasch im Meer zu verankern. Da fand sich in mir einerseits die Furcht, haltlos in die Tiefe zu stürzen, andererseits die Angst, durch meine festhaltende Furcht das wahrhaftige Erlebnis einer Erneuerung des Geistes zu versäumen. Zwei unterschiedliche Windrichtungen zerrten in mir und ließen mich fast meine Entscheidungsfreiheit verlieren. Meine Augen verloren sich abwechselnd im immer weiter abtriftenden Horizont und in der Ungewissheit des aufschäumenden Dranges, die Welt durch die Entscheidung, in die Unendlichkeit zu tauchen, verändern zu können.
            Das Spiel des Wasserfalles wurde zu einer gewaltigen, mächtigen Melodie, die mich widerstrebend der neuen Welt, die mir noch unbekannt war, entgegenspülte. Es kostete mich machtvolle Energie, das Verlangen nach Erneuerung gegen die unbefriedigende Sicherheit des Vertrauens abzuwägen. Es wurde aufgrund einer merkwürdig erwärmenden Gegenströmung notwendig, mein Schiff bewusst auf die erfrischende Ungewissheit zuzusteuern. Das Kommende erfüllte mich plötzlich mit einer magischen Erleichterung.

Ich steuerte mein Schiff in den imaginären Endpunkt der Welt, um zu bemerken, dass ich diese Welt nicht verlassen hatte, aber in mir selbst neue Energien für neue Ungewissheiten und klare Mondnächte am Ende der Welt gewonnen hatte.

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