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Das Öchslein an der Krippe
Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Befehl ausging vom Kaiser Augustus ...
So beginnt seit alters her die Weihnachtsgeschichte, und daran hat sich bis heute nichts geändert, und das ist auch gut so, denn manche Geschichten dürfen nicht verändert werden, weil sie sonst nicht mehr stimmen würden.

In jenen Tagen also, als Maria und Josef zur Volkszählung nach Bethlehem gekommen waren, müde und Staub bedeckt nach dem langen Fußmarsch von Nazareth hierher, hatten sie sich, wie es sich für gesetzestreue Bürger gehörte,  zuerst registrieren lassen. Danach waren sie den ganzen Tag durch das von Menschen überfüllte Bethlehem gelaufen, um ein Zimmerchen für die Nacht zu finden. Aber in keiner der vielen Herbergen war mehr ein Platz frei. Zumindest nicht für arme Leute, wie sie es waren. Und wenn die Wirte erkannten, dass Maria hochschwanger war und das Kind stündlich zur Welt kommen konnte, warfen sie ganz schnell ihre Türen vor den müden Ankömmlingen zu. Solche Scherereien wollte man damals in Bethlehem nicht haben. Und auch daran hat sich bis heute nichts geändert. Und vielleicht ist auch das ein Grund, weshalb die Weihnachtsgeschichte alljährlich wieder die Menschen bewegt. 

Inzwischen standen die Sterne am Himmel und das heilige Paar hatte noch immer kein Dach über dem Kopf. Josef blickte voll Besorgnis auf seine Frau, die sich erschöpft an ihn gelehnt hatte. Gab es denn niemanden in der Stadt Davids, der dem ankommenden Erlöser und seiner Mutter ein bescheidenes Plätzchen an seinem Herd einräumen wollte? Sie waren schon fast wieder am Stadttor angekommen, als Josef doch noch eine kleine, ärmlich aussehende Herberge entdeckte. „Hier haben wir noch nicht gefragt, hier haben wir bestimmt Glück“,  machte er sich selbst und Maria Mut und klopfte beherzt an die Tür. Und siehe da, die Tür wurde geöffnet und der Wirt war gar nicht so unfreundlich wie all die anderen vor ihm. In seiner Miene ließ sich sogar so etwas wie Mitgefühl erkennen, als er die zu Tode erschöpfte, hochschwangere Frau erblickte. Er war wohl selbst ein armer Schlucker und hatte Mitleid mit seinesgleichen. So bot er denn dem heiligen Paar einen Platz in seinem Viehstall, gleich vor der Stadtmauer, an. Und Maria und Josef nahmen das mehr als bescheidene Angebot dankbar an.

In dem Stall aber, der später als „der Stall zu Bethlehem“ in die Geschichte eingehen sollte, standen ein Ochse und ein Esel und damit war der kleine Stall eigentlich auch schon voll. „Iiiih aaah“, schrie der Esel empört, als er erkannte, dass die beiden daher gelaufenen Menschen Anstalten machten, sich auch noch in seinem Stall niederzulassen. „Bettelpack, verflixtes! Als ob wir es hier nicht schon eng genug hätten.“ Und er machte sich extra breit, um den beiden den Eintritt zu verwehren. Denn warum sollte so ein Esel auch klüger sein als die Menschen? 
„Aber Freund Esel“, begütigte das Öchslein. „Siehst du denn nicht, wie erschöpft die beiden armen Menschen sind?“ „Mir doch egal“, murrte der Esel. „Aber sieh doch nur, das Kind wird heute Nacht noch zur Welt kommen“, versuchte es das Öchslein noch einmal. „Um so schlimmer“, schimpfte der Esel, „noch so ein unnützer Esser mehr.“ „Ich bitte dich, lieber Freund, nun mach` doch endlich Platz, sonst rede ich bis ans Ende unserer Tage kein einziges Wort mehr mit dir“, sagte der Ochse und blickte seinen Kameraden ganz streng an. Da gab der Esel seinen Widerstand auf und trat, wenn auch widerwillig, ein paar Schritte zur Seite, sodass der hl. Josef seinen Mantel über das Stroh ausbreiten und seiner Frau wenigstens ein bescheidenes Nachtlager bereiten konnte.

Und wirklich wurde in dieser Nacht, die fortan die „Heilige Nacht“ genannt werden sollte, das Kind geboren,  das die Menschen später den Erlöser nennen würden. Und Maria wickelte ihren erstgeboren Sohn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, wie es der Chronist überlieferte, in eben jene Krippe, aus der sonst Ochs und Esel fraßen. Wie wurde es dem Öchslein da warm ums Herz, als es das neu geborene Knäblein sah und es machte sich eifrig daran, das Kind mit seinem Atem zu wärmen. Und das Jesuskind strahlte das Öchslein voller Liebe und Dankbarkeit an. 

Dem Esel aber passte das Ganze überhaupt nicht. Nun war auch noch seine Futterkrippe mit diesem Bettelkind belegt. Aber da das Öchslein gar so glücklich drein schaute und sich so eifrig um dieses hereingeschneite Kind bemühte, beschloss er ausnahmsweise, seine Meinung für sich zu behalten. Schließlich wollte er es sich nicht mit seinem einzigen Freund, dem Ochsen, verderben. Und lange  würden diese Leute ja sicher nicht bleiben, so hoffte er wenigstens. 

Aber es sollte für den schwer geprüften Esel noch schlimmer kommen in jener allerersten Heiligen Nacht. Denn aus irgendeinem Grund erfuhren die Hirten, die auf dem nahe gelegenen Feld ihre Schafe hüteten, von der Geburt dieses Sohnes armer Leute. Und die, selbst Außenseiter der anständigen Gesellschaft, hatten doch nichts eiligeres zu tun, als zum Stall zu laufen und dem Kind und seiner Mutter ihre Aufwartung zu machen. Nun herrschte aber endgültig drangvolle Enge im Stall zu Bethlehem. Der Esel wollte schon den Mund auftun um gegen diese ganz und gar überflüssige Menschenansammlung in seinem Stall zu protestieren, als er einen warnenden Blick vom Öchslein auffing. Dem dummen Ochsen schien es doch wirklich zu gefallen, dass die Hirten ein solches Aufhebens um dieses Kind machten. Aber lange würden die Hirten ja wohl nicht bleiben, sie mussten schließlich ihre Schafe hüten, so beruhigte sich der Esel selbst. Und richtig, die Hirten brachen bald wieder auf,  um nach ihren Herden zu sehen. Dummerweise ließen sie aber ein paar Geschenke da. Nichts Wertvolles, nur den üblichen Plunder, den arme Leute so zu verschenken pflegten. Ein Schaffell zum Beispiel, das Maria dem Kind gleich unter gelegt hatte, damit es warm und weich ruhen konnte. Zwei Krüge mit Milch, die diese armseligen Hirten selbst viel nötiger gebraucht hätten, einen Fladen Brot, drei Äpfel und was dergleichen überflüssiges Zeug mehr war. Und dieser Kram beanspruchte nun auch noch Platz in einer Ecke des ohnehin schon viel zu kleinen Stalles. Der Esel wollte schon protestieren, aber der Duft der Äpfel stieg ihm so verlockend in die Nase, dass es beschloss, vorerst gute Miene zum bösen Spiel zu machen in der Hoffnung, dass die Äpfel in seinen Magen wandern würden als Entschädigung für die Einquartierung und all die damit verbundene Unbill. Und richtig, der Familienvater bot ihm tatsächlich einen Apfel an. Der Mann schien doch vielleicht zu wissen, was sich gehörte. Da wollte der Esel  auch nicht gar zu unhöflich sein, immerhin, zwei Äpfel waren ja noch übrig. Die nächsten Tagen verliefen störungsfrei. Das Kind war ungewöhnlich brav, quäkte fast nie, und die junge Mutter erholte sich zusehends von der Geburt. So bestand die berechtigte Hoffnung, dass die Familie nun endlich bald verschwinden würde. Schließlich, so hatte der Esel aufgeschnappt, besaß der Familienvater daheim in Nazareth eine Zimmermannswerkstatt. Die konnte er doch nicht ewig alleine lassen. Immerhin hatte er Frau und Kind zu ernähren. Nein, lange konnte diese Einquartierung nun wirklich nicht mehr dauern. Dachte der Esel und schielte begehrlich nach den zwei übrig gebliebenen Äpfeln.

Da plötzlich, eines Morgens, klopfte es an die Stalltüre.  „Herein“, rief der hl. Josef unnötigerweise und das ließen sich die ungebetenen Gäste nicht zweimal sagen. Die Tür ging auf und hereinspaziert kamen drei Herren aus dem Morgenland. Die trugen prächtige Gewänder und hatten goldene Kronen auf dem Kopf. Und einer war sogar kohlrabenschwarz. So etwas hatte der Esel noch nie gesehen und das erste Mal in seinem Leben fürchtete er sich sogar ein wenig. Deshalb beschloss er, die Besucher zunächst schweigend im Auge zu behalten. Dummerweise waren die Herren aus dem Morgenland aber nicht alleine gekommen, nein, jeder von den dreien führte ein Kamel mit sich. Und diese fremdartigen Vierbeiner drängten nun auch noch in den Stall. Der dumme Ochse rückte natürlich gleich zur Seite um diesen unheimlichen Tieren Platz zu machen und vor lauter Schreck tat es ihm der Esel gleich. Die morgenländischen Herren knieten an der Krippe nieder und beteten das Bettelkind an. Dabei vergaßen sie auch nicht, der Mutter ihre Referenz zu erweisen. Nur der Familienvater blieb wiedereinmal bescheiden im Hintergrund. Merkwürdige Sitten waren das. Nun luden die Herren ihre Kamele ab und breiteten ihre Gaben vor Kind und Mutter aus. Gold, Weihrauch und Myrrhe hatten sie mitgebracht und wollten sie nun dem Knaben schenken. Dem Esel fielen vor Staunen beinahe die Augen aus dem Kopf. Solche Kostbarkeiten für das Kind armer Leute! Aber nun war die Familie reich und würde hoffentlich bald verschwinden. Und die drei vornehmen Herren mit Ihnen. Letztere hatten schließlich noch einen weiten Heimweg.

Die drei fremdländischen Herren ruhten sich noch einen Tag aus und dann brachen sie tatsächlich auf, mitsamt ihren unsympathischen Kamelen. Der Esel atmete auf. Nun stand nichts mehr im Wege, dass die Eltern mit dem Kind ebenfalls abreisen würden. Weitere Besucher waren bestimmt nicht mehr zu erwarten, und die Engel, die in der Hl. Nacht überall herum geschwirrt waren, waren auch schon längst wieder in den Himmel entschwunden. Dort gehörten sie auch hin. Der Esel hatte sich sowieso gefragt, was Engel ausgerechnet auf Bethlehems Fluren verloren hatten. Aber nun würde bald  Ruhe einkehren, da war er sich ganz sicher. Und auch sein Freund, der Ochse, käme endlich wieder zur Vernunft und würde nicht mehr den ganzen Tag so verzückt gucken.

In der folgenden Nacht schlief der Familienvater so unruhig, dass der Esel davon wach wurde. Der arme Mann träumte wohl schlecht, kein Wunder, wenn einer Frau und Kind versorgen musste. Und am kommenden Morgen fing er tatsächlich in aller Eile an zu packen. Na endlich! Der Mann schien  begriffen zu haben, dass es Zeit war, in seine Werkstatt zurückzukehren damit Frau und Kind etwas zu beißen hatten. Aber was war das? Wieso lud er seine paar Habseligkeiten dem Öchslein auf? Wollte der ihm etwa seinen einzigen Freund entführen? „Iiiii aaaah“, protestierte der Esel, „das geht aber nicht! Der Ochse bleibt hier, hier bei mir. Basta!“, aber niemand beachtete den Esel und das Öchslein guckte schon wieder so verzückt mit seinen großen Kuhaugen. Aber es sollte noch weitaus schlimmer kommen. Josef band nämlich den Esel los, setzte seine Frau auf dessen Rücken, legte ihr das Kind in den Arm und führte den Esel mitsamt seiner, des Zimmermanns Familie, aus dem Stall. Der Ochse folgte mit dem Gepäck als sei es die selbstverständlichste Sache der Welt. Dem Esel aber verschlug es vor Schreck die Sprache. Was hatte das Schicksal nun wieder Schreckliches mit ihm vor?

Die Reise ging nach Ägypten, weil angeblich König Herodes dem Kind nach dem Leben trachtete. Der Esel fand die Flucht reichlich übertrieben, wer sollte es schon auf  ein Kindes armer Schlucker abgesehen haben? Aber es half nichts, er musste mit und auf der ganzen langen Reise fraß er seinen Groll in sich hinein. Was sollte er auch anderes tun?

Wie es der hl. Familie nebst Ochs` und Esel in Ägypten ergangen war, darüber ist wenig bekannt. Es ist aber zu vermuten, dass der Esel weiterhin gemurrt und das Öchslein der Familie nach Kräften gedient haben wird.

Nach einigen Jahren nun erschien dem hl. Josef ein Engel im Traum und forderte ihn auf, mit seiner Familie nach Nazareth zurückzukehren, denn König Herodes war gestorben und es bestand keine Gefahr mehr für das Jesuskind. 

Wieder fingen Maria und Josef an zu packen und luden ihren inzwischen stattlich angewachsenen Hausrat dem Öchslein auf, das geduldig still hielt als sei das alles die selbstverständlichste Sache der Welt. Und wieder band Josef den Esel los und half seiner Frau und dem Knaben auf zu sitzen. Nun hatte aber das Jesuskind leider während der Jahre in Ägypten nicht nur an Alter und Weisheit sondern auch an Gewicht zugenommen. „Iiiiiieh aaaaah!“, schrie der Esel empört. „Ich kann nur einen von beiden auf meinem schwachen Rücken tragen. Beide zusammen sind viel zu schwer für mich. Meine Beine knicken ja schon ein.“ „Aber Freund Esel“, sprach der hl. Josef begütigend auf das Grautier ein und kraulte es dabei liebevoll hinter den Ohren, „weder meine Frau noch der kleine Jesus können den weiten Weg zu Fuß gehen. Das siehst du doch sicher ein?“ Nein, das sah der Esel ganz und gar nicht ein. Eselschinder waren das, jawohl! Aber da er ein kluger Esel war, begriff er, dass er nichts dagegen tun konnte. Und so ergab er sich beleidigt in sein Schicksal. Aber auf dem ganzen Weg von Ägypten nach  Nazareth fraß er seinen Groll in sich hinein und sein ganzes Herz wurde davon vergiftet.

Als die kleine Truppe nach wochenlangem Marsch endlich in Nazareth angekommen war, da war es um den Esel endgültig geschehen. „Iiiiieh aaaah!“, schrie er, „in so einem Kuhnest soll ich künftig wohnen?“, und er stampfte empört mit allen vier Hufen auf, einem nach dem anderen, dass der Staub nur so aufwallte. Und vor lauter Empörung fiel er auf der Stelle tot um. Denn soviel Gift und Groll im Herzen bringt selbst den stärksten Esel um.

Das Öchslein aber hat der hl. Familie noch viele Jahre lang treu gedient. Es half dem hl. Josef bei der Zimmermannsarbeit und transportierte die schweren Balken hin und her und in seinen Musestunden spielte es  mit dem Jesusknaben Fangen. Und wenn Maria den beiden beim Spielen zusah, dachte sie manchmal, wie viel friedvoller es doch auf der Welt zugehen würde, wenn es mehr solcher liebenswürdiger Öchslein und weniger störrische Esel gäbe.
 

Zeichner der Bilder leider unbekannt.
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