Die schönste
Krippe
Es war einmal vor langer Zeit - oder doch erst gestern? - eine junge Familie:
Der Vater, die Mutter und ihr neugeborenes Kind. Sie lebten in einem Land, in
dem Krieg herrschte und die Tage des Glücks vergessen waren. Die Menschen dort
verloren ihre Habe, ihr Häuser, ihre Heimat und viele auch ihr Leben. Bald
glaubte niemand mehr an die Rückkehr des Friedens. So wickelten die jungen
Eltern ihr Kind in ein wollenes Tuch, schnürten ein Bündel und mit wenigen
Habseligkeiten machten sie sich auf die Suche nach einer neuen Heimat, in der
ihr Kind in Frieden aufwachsen konnte. Es war und es ist das Fest des Friedens
"Weihnachten" es war nicht mehr weit. Tagelang wanderte die kleine
Familie über schneebedeckte Berge und durch eisige Täler. Zu Essen hatten sie
nur ein wenig Brot und ein Paar Waldbeeren. Endlich sahen sie eines Abends die
Lichter einer fremden Stadt vor sich. Doch wohin sollten die Menschen gehen,
fremd in einem fremden Land? Schweigend zogen sie durch menschenleere,
verschneite Strassen, vorbei an erleuchteten Fenstern, und standen plötzlich
vor einem grossen Kirchenportal. Hier wollten sie Schutz suchen. Frierend und
müde traten sie ein. Der Duft von Kerzen, Weihrauch und Tannengrün umfing sie.
Vorn neben dem Altar stand ein grosser, prächtig geschmückter Weihnachtsbaum.
Darunter stand eine Krippe aufgebaut. Gold- und silberglänzend strahlten Baum
und Krippe im Licht der Kerzen um die Wette. Beschämt schauten die Frau und der
Mann an sich herunter. Nein ... hier war kein Platz für sie. Still wie sie
gekommen waren, verliessen sie wieder die Kirche. Drei Kirchtürme hatten sie
gesehen, als sie von dem Berg hinabgestiegen waren. So liefen sie weiter durch
die leeren Strassen, bis sie vor das zweite Kirchenportal gelangten.
Hoffnungsvoll öffneten sie die hohe Tür und erblickten in der Mitte des
erleuchteten Kirchenraumes eine Krippe, die war noch prächtiger als die erste.
Rasch verliessen sie auch dieses Gotteshaus. In der dritten Kirche waren Frauen
und Kinder damit beschäftigt, letzte Hand an die üppigen Gewänder der
Krippenfiguren zu legen. Geblendet von so viel weihnachtlicher Pracht, zog sich
die Familie leise zurück.Niemand hatte sie bemerkt. Wohin sollten sie sich nun
noch wenden? Da gelangen sie zu einer kleinen verfallenen Kapelle vor den Toren
der Stadt. Die morsche Tür stand offen. In der Ecke des kahlen Raumes lagen
satt und zufrieden ein Ochse und ein Eselchen. Und in der Mitte stand eine
hölzerne Futterkrippe, gefüllt mit duftendem Stroh. Endlich eine Bleibe für die
drei Menschen! Die Mutter bettete ihr schlafendes Kind in das warme Stroh und
legte sich selbst auf den Stufen des Altares nieder. Der Vater deckte sie mit
seinem Mantel zu.
Weihnachtsmorgen in der Stadt
Unter dem Geläut
der Kirchenglocken schritten festlich gekleidete Menschen zum Marktplatz. Dort
wollten die Bürger abstimmen, welche Kirche die schönste Krippe habe. Denn wie
jedes Jahr war dafür ein Preis ausgesetzt worden. Während man noch den Reichtum
der einen mit der Pracht der anderen Krippe verglich, kamen einige Kinder
herbeigelaufen Aufgeregt riefen sie: "Kommt schnell mit zu dem Kapellchen!
Dort steht die schönste Krippe von allen. Wir haben sie mit unseren eigenen
Augen gesehen!" Ach ... das vergessene Kapellchen! Obgleich jeder wusste,
dass der kleine Raum nur noch dem Vieh als Unterstand diente,wollte man den
Kindern ihren Wunsch erfüllen und begab sich mit ihnen auf den Weg. Vorsichtig
öffnenen sie die Tür und verstummten vor dem lebenden Krippenbild, das sich
ihnen darbot. Prunk und Pracht der Kirchenkrippen waren vergessen. Denn die
Menschen begriffen in diesem Augenblick den tieferen Sinn der
Weihnachtsbotschaft. Kinder legten ihr neues Spielzeug vor die Krippe. Frauen
breiteten Mäntel über das Kind und die Eltern. Ein kleines unbewohntes Haus
wurde gefunden. Alle empfanden die Freude, in der Not helfen zu können. Als die
Nacht heraufzog, lag die Stadt wieder im Dunkel. Nur hinter den Fenstern des
kleinen Hauses, bei den neuen Einwohnern, war noch Licht!
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