Autor: Stefan Pflug
SURADEYplö
Es war einmal ... ein guter Anfang für eine Geschichte ... ein kleines
noch sehr junges Mädchen für ihr Geschlecht. Sie lebte in einem
winzigen Dorf, fernab der großen Städte. Ihr Leben war dem gleich
aller anderen Mädchen und Frauen in jener Siedlung. Man ging seinen
Geschäften und Verpflichtungen nach und kümmerte sich um den
Nachwuchs, sofern schon welcher vorhanden war.
Unser kleines Mädchen war aufgewachsen
bei ihrer Mutter, wie viele der anderen Kinder auch. Es war halt so üblich
bei ihrem Volk.
Einige der Pflichten, denen sie tagtäglich
nachgehen musste, waren zum Beispiel das Bestäuben der reifen Blüten,
das Verteilen des Taues und auch die Mithilfe beim Ausschlüpfen eines
neuen Schmetterlings, falls er Probleme haben sollte, aus seinem Kokon
zu kommen. Töchter hatte sie noch keine. Also konnte man sich voll
und ganz auf alles andere konzentrieren.
Sie war ein fleißiges Mädchen,
liebte ihr Leben, und half wo sie nur konnte. Das Leben ihres Volkes war
relativ einfach doch nicht ohne Gefahren. Ihre Mutter war erst letzten
Frühling ums Leben gekommen. Es war ein plötzliches Gewitter
mit starkem Regen aufgekommen und hatte sie in den Fluss gespült,
wo sie dann auch ertrunken war. So vermutete man jedenfalls, die Leiche
war bis dahin nicht gefunden worden.
Nun gut, wie sich vermuten lässt
war ihr Volk eine sehr kleine Rasse von Lebewesen. Wer Blütenstaub
und Tau aufbringen kann, muss einfach klein, wenn nicht sogar winzig, sein.
Sie nannten sich selbst die Suradey, was in ihrer Sprache soviel wie Fleiß
bedeutet. In den Legenden und Märchen werden sie von uns Menschen
nur schlicht als Feen bezeichnet. Ein wirklich einfacher und primitiver
Name für eine Lebensform von solcher Anmut und Schönheit.
Die Suradey oder, na ja, Feen waren winzige
Dinger von der Länge eines Fingernagels vielleicht. Auf dem Rücken
trugen sie zwei Paar Flügel, von dem das Untere ein dünnes, durchschimmerndes
Gewebe, mit vielen Adern durchzogen, war und das Obere alle Farben des
Regenbogens in der Sonne reflektierte. Dies lag an den Tausenden kleinen
Schuppen, die das obere Flügelpaar bedeckten. So ähnlich wie
bei unseren Schmetterlingen, nur kleiner und viel, viel schöner. Sie
trugen alle immer grüne Gewänder in allen Tönen, die diese
Farbe hergibt.
Wie den Meisten schon aufgefallen sein
muss, ist hier immer nur die Rede von Müttern und Töchtern. Nun
das liegt daran, dass im Volk der Suradey keine männlichen Vertreter
vorhanden waren. Feen hatten einen so starken und unschuldigen Geist, so
dass sie sich nur eine Tochter zu wünschen brauchten, um eine zu bekommen.
Denn am nächsten Morgen nach ihrem Wunsch lag ein neues dieser kleinen
Wesen in seinem Bettchen. Doch war das keine leichtfertige Entscheidung,
Kinder bedeuten immer Verantwortung und dessen waren sich auch die Suradey
bewusst.
Es war eines ihrer wenigen Gesetze, erst
Kinder bekommen zu dürfen ab einem gewissen Alter und es mussten vorher
einige Freunde gefragt werden, ob sie diejenige für reif genug hielten.
Sie hätte auch nie die Willensstärke aufbringen können ohne
den Segen ihrer Bekannten. So war es nun mal.
Große Leute zu meiden, so nannte
man die Menschen damals, war ebenfalls eins jener Gesetze. Zu der damaligen
Zeit waren die Menschen nämlich noch sehr abergläubisch und bei
ihnen ging das Gerücht umher, eine Fee brächte demjenigen Glück,
der sie gefangen hatte. Also hielten sich die Suradey im Verborgenen.
Natürlich gab es immer auch ein paar
Neugierige und Unvorsichtige. Wie der Zufall so spielt war eben unsere
kleine, junge Fee, von der ich euch hier erzähle, eines dieser Wesen.
Sie war vernarrt in die Menschen. Ja sie fühlte sich geradezu hingezogen
zu ihnen. Stets wenn sie genug Zeit hatte, da alle ihre Pflichten erfüllt
waren, legte sie sich auf die Lauer, um Menschen zu beobachten. Bei all
den verschiedenen Gewohnheiten und Tätigkeiten denen sie nachgingen.
Unsere Fee verstand zwar nicht im Geringsten, was sie dort taten, dennoch
interessierte sie das sehr.
So kam sie dann auch in ihre Gefangenschaft.
Eines Tages als sie mal wieder auf Beobachtungstour war, entdeckte sie
einen Menschen, der damit beschäftigt war, mit einer seltsam gebogenen
Weidenrute, in der Form einer Schlaufe, an der ein unwirklich schimmernder
Stoff, ein Netz, befestigt war, in der Luft herum zu wirbeln. So etwas
hatte sie ja noch nie gesehen. Was konnte er nur vorhaben? Vor Spannung
fast platzend, schlich sie sich näher heran, um zu erfahren was dieser
dort tat. Näher und näher flog sie durchs hohe Gras zu ihm hin.
Wie gebannt beobachtete sie seine Gebärden.
Mit einem Mal konnte sie es erkennen.
Dieser Kerl fing Insekten. Alles was er kriegen konnte. Fliegen, Schmetterlinge,
Libellen, alles was er sah wurde gefangen und in ein kleines Kästchen
gesperrt. Kaum zu fassen, dieser Schuft, wie konnte er es wagen. Vom Entsetzen
getrieben, schrie sie auf. Ein hoher Pfeifton war zu hören. Sofort
wand sich der Junge um und entdeckte sie schließlich. Mit einem schnellem
Schwung seines Keschers hatte er unsere kleine Fee im Netz. Schnell waren
die gefangenen Tiere wieder frei gelassen. Das hätte unsere Fee wahrscheinlich
sehr gefreut, wäre sie, anstatt der Insekten, jetzt nicht im Kästchen
gefangen.
Wild schrie sie, sprang im Kreis herum
und beschimpfte ihn auf ihre ungeübte, unschuldige Art. Doch der Junge
konnte sie nicht verstehen. Die stimme einer Fee ist zu hoch, als das ein
menschliches Ohr nur eine Silbe davon verstehen könnte. Es war ein
einziges Pfeifen zu hören.
Jetzt begann auch der Junge im Kreis zu
hüpfen und zu schreien. Sein Schreien jedoch war ein Jubeln und Jauchzen.
Er hatte einen Glücksbringer gefunden. Von nun an konnte seinem Leben
niemand mehr Steine in den Weg legen und falls doch würden diese wie
von Geisterhand beiseite gerollt.
Falls das kein Irrtum werden sollte.
Schnell lief der Junge nach Hause, versteckte
sich in seinem Zimmer und schloss die Tür zu. Erfüllt von triumphalen
Glücksgefühlen saß er nun da und betrachtete seinen besten
Fang aller Zeiten.
Er stellte sich vor, wie er die neu erworbene
Schicksalsfügung nutzen konnte.
Seine Fantasie ging mit ihm durch.
Er stellte sich vor wie er auf dem Jahrmarkt
bei den Glücksspielen gewönne, er würde reich werden. Zufrieden
mit sich, beschloss er, diesen Plan auch gleich am nächsten Tag in
die Tat umzusetzen und ins Dorf zu gehen. So kam es dann auch.
Als aller erster im Haus stand er an jenem
Morgen auf, was für ihn eigentlich sehr ungewöhnlich war, denn
der Junge war ein chronischer Langschläfer. Schnell ging er hinunter,
borgte sich, in Anführungszeichen, das gesamte Ersparte und verließ
das Haus. Die Eltern würden sehr stolz auf ihn sein, wenn er die Familie
zum Reichtum führen würde. Einen großen Hof mit vielen
Bediensteten könnten sie sich leisten. Nie mehr Hunger. Nur noch Luxus.
Das würde es sein.
Am Abend wie er nach Hause kam wartete
der Vater schon in der Küche. Er hatte eine bedrohlich große
Rute in der Hand. Seine Eltern hatten das fehlende Geld entdeckt und erwarteten
eine plausible Erklärung. Und so erzählte ihnen der Junge von
seinem Fang am Vortag und seinem Plan die Familie reich zu machen, und
dass dieser gescheitert war. Er hatte die gesamten Ersparnisse verspielt.
Der Vater erkannte zwar den guten Willen seines Sohnes, aber seinen Zorn
konnte er nicht bändigen. Also verdrosch er den Jungen so heftig,
dass dieser daran starb. Es war halt schon immer so. Naivität bezahlt
man mit dem Leben.
Gleich danach hatten sie unsere kleine
Fee davon gejagt. Diese Dinger waren wirklich keine Glücksbringer.
Am nächsten Tag, von Schuldgefühlen gequält, betrank sich
der Vater bis zum Erbrechen. Auf dem nach Hause Weg kippte er dann einfach
um und ist im Straßengraben in der selben Nacht noch erfroren. Kurze
Zeit später starb auch die Mutter. Sie ist im Armenhaus verhungert.
Wirklich kein Glücksbringer. Nur
Tod und Verderben hat die Fee der Familie eingebracht. Seit jenem Tage
an, als die Geschichte sich verbreitet hatte, galten die Feen unter den
Menschen nicht mehr als Glücksbringer, diese Wesen mussten im Dienst
des Teufels stehen und wurden nun stets gejagt und getötet, wann immer
man sie erwischte.
Viele Jahre verstrichen so und die Zahl
der Suradey wurde kleiner. Sie weinten und flehten Gott an, ihnen zu helfen
doch nichts geschah. Wieder gingen etliche Jahre so ins Land und die Suradey
wurden weniger und weniger. Sie flehten und beteten und weinten weiter.
Jetzt da es nur noch wenige von ihnen
gab, konnten sie ihren Pflichten nicht mehr ausreichend nachkommen. Morgens
gab es nur noch sehr wenig Tau, zu wenig Blumen wurden bestäubt und
auch die Schmetterlinge, die diese Aufgabe hätten übernehmen
können, wurden weniger, denn viele verendeten bereits beim Ausschlüpfen.
Gott ließ sich nun erweichen. Er sah, dass seine Welt zu Grunde geht
ohne diese winzigen Wesen. Das war nicht mehr die natürliche Auslese,
die er vorausgeplant hatte. Also half er den Suradey, zum Wohle aller,
indem er sie unsichtbar machte für die Augen anderer Lebewesen. Sie
waren gerettet.
Seit diesem Tage war nie mehr eine Suradey
gesehen worden und heute glaubt man auch nicht mehr an solche Dinge, das
sind alles nur noch weit entfernte Märchengestalten die kann es gar
nicht geben. Doch jeder weiß, dass da draußen irgendetwas oder
irgendjemand ist, der die Dinge irgendwie am Laufen hält. |