Liegland
war ein kleines Land, welches eingebettet lag zwischen zwei Gebirgszügen
und dem Meer. An den Gebirgszügen gab es große Waldflächen
und zum Meer hin erstreckten sich fruchtbare Böden mit Wiesen, Feldern,
Obstbäumen und Weinstöcken, die den Bewohnern des kleinen Landes
alles boten, um glücklich und angenehm zu leben. An einem Gebirgszug,
der nahe an das Meer heranreichte, lag die Liegburg, in welcher der König
von Liegland residierte. Da der König ein kluger und umsichtiger Mann
war, liebte ihn sein Volk und hatte keinen Grund zur Sorge. Oder doch?
Unser König
hatte noch keine Königin gefunden. Er suchte immer noch nach einer
Frau, die seinem Land und seiner Liebe entsprechen würde. Vor vielen
Tagen hatte der König den Weisen im Gebirge befragt, wie er die richtige
Frau für sich und sein Reich finden würde. „Mit Geduld wirst
du eine Frau finden, deren Liebe du sofort fühlen wirst und die deine
Liebe erweckt. Sie wird aber einen leichten Schlaf haben, der durch das
geringste Schnarchen in deinem Schlaf gestört würde. Da du aber
einen sehr ruhigen Schlaf hast, wird euch dies nicht im geringsten störend
in eurem Glück sein. Lieber König – du musst nur warten können.
Nun war also unser
König keine schnarchender König. So machte er sich Sorgen, wie
er die richtige Frau erkennen sollte. Da beschloss er also, das Schnarchen
zu erlernen. So übte er viele Wochen und ließ dann über
die Grenzen seines Landes hinaus seine Brautschau verkünden.
Viele schöne
Mädchen und auch Prinzessinnen erschienen daraufhin in der Liegburg.
Jede musste eine Nacht in einer Schlafkammer gleich neben der des Königs
verbringen, die oben durch schmale Öffnungen mit der Kammer des Königs
verbunden war. So übte sich der König im Schnarchen, während
die Werberinnen in einen tiefen Schlaf versanken. Zumindest behaupteten
sie immer am nächsten Morgen, dass sie eine gute und ruhige Nacht
gehabt hätten. Der König hatte inzwischen schon so lange absichtlich
geschnarcht, dass er tatsächlich bereits im Schlaf schnarchte und
dieses Schnarchen gar nicht mehr verhindern konnte. Er fand aber kein Mädchen,
welches sich beschwerte, dass sie sein Schnarchen gestört hätte.
Die Bewerberinnen
wurden immer weniger und das Schnarchen des Königs immer intensiver.
Er schnarchte schon, wenn er auf seinem Thron kurz einnickte.
Eines
Tages sah er im Hof seiner Burg ein Mädchen mit zerrissenen Kleidern,
welches bunte Sträuße von Wiesenblumen verkaufte. Der Anblick
dieses Mädchens wärmte sofort das Herz des Königs und er
ging zu ihr, um einen der Wiesenblumensträuße zu kaufen. Als
der König in die Augen des Mädchens blickte, wurde er sofort
von inniger Liebe erfüllt, und das Mädchen erwiderte diese Liebe.
Die Wiesenblumen erfüllten die Luft mit ihrem Duft und dem König
war, als würde der Raum um ihn durch Musik von Wiesenelfen erfüllt.
(Natürlich waren wirklich Wiesenelfen anwesend, wie so oft wenn sich
zwei Liebende treffen, aber der König konnte sie nicht sehen.) Da
lud der König das Mädchen auf sein Schloss ein. Nach einem festlichen
sang das Blumenmädchen noch einige fröhliche Lieder für
den König. Dann durfte es in der Kammer neben der Schlafkammer des
Königs zur Ruhe gehen. Und obwohl der König vor lauter Glück
vergessen hatte, an das Schnarchen zu denken, schnarchte er kräftigst
in seinem Schlaf.
Noch in der Nacht
wurde er durch heftiges Klopfen geweckt. Da stand das Mädchen, welches
er liebte, und beschwerte sich über sein Schnarchen, welches ihm jeglichen
Schlaf raubte. Da war der König überglücklich, schloss seine
Liebste in die Arme, die dies mit einem herzlichen Lachen erwiderte. Die
beiden verbrachten eine lange, schöne Liebesnacht.
Der
König und das Mädchen heirateten und gaben ein fröhliches,
rauschendes Hochzeitsfest. Die Königin gebar dem König eine Prinzessin
und einen Prinzen. Ja – so könnte jetzt alles und jeder glücklich
und zufrieden sein. Nur würde dieses Glück von einer Sache immer
wieder empfindlich getrübt. Der König konnte nicht die ganze
Nacht bei seiner Geliebten verbringen. Zum Schlafen musste er immer in
eine Kammer am vorderen Ende der Burg auswandern, da er sich das Schnarchen
nicht mehr abgewöhnen konnte und die Königin daneben keinen Schlaf
fand. Als der König den Weisen im Gebirge danach fragte, meinte dieser
nur: „Die Nadelstiche in deinem Glück hast du deiner Ungeduld zu verdanken.
Hättest du geduldig gewartet und nicht versucht, die Liebe herbei
zu zwingen, wärest du noch immer ein König mit ruhigem Schlaf.
Deine Liebe hättest Du trotzdem gefunden.“
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