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Autor: Rudi alias "Das letzte Einhorn?" 
Der schnarchende König

Foto: Erbler RudolfLiegland war ein kleines Land, welches eingebettet lag zwischen zwei Gebirgszügen und dem Meer. An den Gebirgszügen gab es große Waldflächen und zum Meer hin erstreckten sich fruchtbare Böden mit Wiesen, Feldern, Obstbäumen und Weinstöcken, die den Bewohnern des kleinen Landes alles boten, um glücklich und angenehm zu leben. An einem Gebirgszug, der nahe an das Meer heranreichte, lag die Liegburg, in welcher der König von Liegland residierte. Da der König ein kluger und umsichtiger Mann war, liebte ihn sein Volk und hatte keinen Grund zur Sorge. Oder doch?
Unser König hatte noch keine Königin gefunden. Er suchte immer noch nach einer Frau, die seinem Land und seiner Liebe entsprechen würde. Vor vielen Tagen hatte der König den Weisen im Gebirge befragt, wie er die richtige Frau für sich und sein Reich finden würde. „Mit Geduld wirst du eine Frau finden, deren Liebe du sofort fühlen wirst und die deine Liebe erweckt. Sie wird aber einen leichten Schlaf haben, der durch das geringste Schnarchen in deinem Schlaf gestört würde. Da du aber einen sehr ruhigen Schlaf hast, wird euch dies nicht im geringsten störend in eurem Glück sein. Lieber König – du musst nur warten können.

Nun war also unser König keine schnarchender König. So machte er sich Sorgen, wie er die richtige Frau erkennen sollte. Da beschloss er also, das Schnarchen zu erlernen. So übte er viele Wochen und ließ dann über die Grenzen seines Landes hinaus seine Brautschau verkünden.
Viele schöne Mädchen und auch Prinzessinnen  erschienen daraufhin in der Liegburg. Jede musste eine Nacht in einer Schlafkammer gleich neben der des Königs verbringen, die oben durch schmale Öffnungen mit der Kammer des Königs verbunden war. So übte sich der König im Schnarchen, während die Werberinnen in einen tiefen Schlaf versanken. Zumindest behaupteten sie immer am nächsten Morgen, dass sie eine gute und ruhige Nacht gehabt hätten. Der König hatte inzwischen schon so lange absichtlich geschnarcht, dass er tatsächlich bereits im Schlaf schnarchte und dieses Schnarchen gar nicht mehr verhindern konnte. Er fand aber kein Mädchen, welches sich beschwerte, dass sie sein Schnarchen gestört hätte.

Die Bewerberinnen wurden immer weniger und das Schnarchen des Königs immer intensiver. Er schnarchte schon, wenn er auf seinem Thron kurz einnickte.

Foto: Erbler RudolfEines Tages sah er im Hof seiner Burg ein Mädchen mit zerrissenen Kleidern, welches bunte Sträuße von Wiesenblumen verkaufte. Der Anblick dieses Mädchens wärmte sofort das Herz des Königs und er ging zu ihr, um einen der Wiesenblumensträuße zu kaufen. Als der König in die Augen des Mädchens blickte, wurde er sofort von inniger Liebe erfüllt, und das Mädchen erwiderte diese Liebe. Die Wiesenblumen erfüllten die Luft mit ihrem Duft und dem König war, als würde der Raum um ihn durch Musik von Wiesenelfen erfüllt. (Natürlich waren wirklich Wiesenelfen anwesend, wie so oft wenn sich zwei Liebende treffen, aber der König konnte sie nicht sehen.) Da lud der König das Mädchen auf sein Schloss ein. Nach einem festlichen sang das Blumenmädchen noch einige fröhliche Lieder für den König. Dann durfte es in der Kammer neben der Schlafkammer des Königs zur Ruhe gehen. Und obwohl der König vor lauter Glück vergessen hatte, an das Schnarchen zu denken, schnarchte er kräftigst in seinem Schlaf.

Noch in der Nacht wurde er durch heftiges Klopfen geweckt. Da stand das Mädchen, welches er liebte, und beschwerte sich über sein Schnarchen, welches ihm jeglichen Schlaf raubte. Da war der König überglücklich, schloss seine Liebste in die Arme, die dies mit einem herzlichen Lachen erwiderte. Die beiden verbrachten eine lange, schöne Liebesnacht.

Foto: Erbler RudolfDer König und das Mädchen heirateten und gaben ein fröhliches, rauschendes Hochzeitsfest. Die Königin gebar dem König eine Prinzessin und einen Prinzen. Ja – so könnte jetzt alles und jeder glücklich und zufrieden sein. Nur würde dieses Glück von einer Sache immer wieder empfindlich getrübt. Der König konnte nicht die ganze Nacht bei seiner Geliebten verbringen. Zum Schlafen musste er immer in eine Kammer am vorderen Ende der Burg auswandern, da er sich das Schnarchen nicht mehr abgewöhnen konnte und die Königin daneben keinen Schlaf fand. Als der König den Weisen im Gebirge danach fragte, meinte dieser nur: „Die Nadelstiche in deinem Glück hast du deiner Ungeduld zu verdanken. Hättest du geduldig gewartet und nicht versucht, die Liebe herbei zu zwingen, wärest du noch immer ein König mit ruhigem Schlaf. Deine Liebe hättest Du trotzdem gefunden.“
 

2.10.2004/13.9.2005©Erbler Rudolf
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