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Inhalt: Der Fantasyroman „Das letzte Einhorn“ (1961) von Peter S. Beagle spielt in einer nicht näher bestimmten Welt in einer ebenfalls nicht genauer definierten Zeit. Ein Einhorn, das seit undenklichen Zeiten zufrieden in seinem Wald lebt, erfährt durch Zufall, dass es außer ihm offensichtlich keine Einhörner mehr in der Welt gibt. Die Vorstellung, ganz allein zu sein, beunruhigt es so sehr, dass es seine vertraute Heimat verlässt und sich auf die Suche nach den anderen, offenbar verschwundenen Einhörnern macht. Es erfährt, dass ein entsetzliches Ungeheuer, der rote Stier des Königs Haggard, seine Artgenossen davongetrieben hat, doch bevor es Genaueres herausfinden kann, wird es von einer Schaustellerin und Magierin namens Mammy Fortuna gefangen und Teil ihrer Ausstellung magischer Geschöpfe, der so genannten Mitternachtsmenagerie. Mit Hilfe von Mammy Fortunas Gehilfen Schmendrick, einem alterslosen, auf den ersten Blick unbegabten Zauberer, gelingt ihm die Flucht. Auf der Suche nach König Haggard und dem roten Stier geraten das Einhorn und Schmendrik in das Lager von Captain Cully und seinen Leuten, die nach dem Vorbild Robin Hoods vogelfrei im Wald hausen. Molly Grue, Cullys Gefährtin, erkennt als Einzige des Einhorns wahre Natur und schließt sich ihnen an. Sie erreichen das verwüstete Land König Haggards und die blühende Stadt Hagsgate, deren Schicksal durch einen Fluch mit dem König Haggards und seines Schlosses verknüpft ist. Aus Hagsgate soll dereinst der Held kommen, der Haggard stürzen und sein Schloss und damit auch Hagsgate zerstören wird. Als der rote Stier sie angreift und das Einhorn zu unterwerfen droht, bricht sich die in Schmendrick verborgene Magie Bahn und er verwandelt das Einhorn in ein wunderschönes junges Mädchen, Lady Amalthea, das für den Stier nicht mehr von Interesse ist. König Haggard, der seinerzeit mit Hilfe des roten Stieres alle anderen Einhörner in die Meeresbrandung gebannt hat, erkennt von Anfang an, was es mit Lady Amalthea auf sich hat. Dennoch - oder gerade deswegen - gestattet er den dreien, auf seinem Schloss zu bleiben. Prinz Lir, sein angenommener Sohn, der als Baby in Hogsgate ausgesetzt worden ist, verliebt sich in Lady Amalthea, die, je länger der Winter fortschreitet, desto mehr ihre frühere Existenz und ihr ursprüngliches Ziel, die Befreiung der anderen Einhörner, vergisst. Schließlich gelingt es Schmendrick und Molly Grue, den geheimen Weg zum roten Stier zu finden. Sein Wunsch, Lady Amalthea und Prinz Lir zu beschützen und die Einhörner zu erlösen, befähigt Schmendrick endlich, die in ihm schlummernde Magie freizusetzen und zu beherrschen und Lady Amalthea in ein Einhorn zurückzuverwandeln – allerdings in ein Einhorn, das sich verändert hat, da es auch die Stärken und Schwächen des menschlichen Daseins kennen gelernt hat. Seite an Seite mit Prinz Lir stellt sich das Einhorn dem roten Stier und treibt ihn ins Meer, wodurch die anderen Einhörner befreit werden. Das Schloss König Haggards und er selbst vergehen, auch die Stadt Hogsgate wird zerstört. Das verheerte Land wird wieder blühend und grün und König Lir, der den Verlust Lady Amaltheas zu akzeptieren lernt, tritt als weiser und gütiger König die Herrschaft an. Schmendrick und Molly Grue hingegen ziehen weiter durch die Lande, immer in der Hoffnung, einstmals das Einhorn wiederzusehen. |
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Grundsätzlich ist anzumerken, dass in diesem Roman jede wichtige handelnde Figur eine Entwicklung durchmacht, was bemerkenswert ist und für die literarische Qualität des Werkes spricht. Viele Personen sind letztlich nicht, was sie auf den ersten Blick zu sein scheinen, sind mehr, sind anders, entsprechen nicht den Erwartungen, die man zunächst in sie setzt, und wachsen mit den Anforderungen.
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Der Roman umfasst 271Seiten und besteht aus 14 Kapiteln unterschiedlicher Länge. Dem Text vorangestellt sind acht Zeichnungen der wichtigsten handelnden Figuren, abgesehen vom Einhorn selbst, das sich offensichtlich jeder adäquaten Darstellung entzieht. Es handelt sich um einen gemäßigt auktorialen Er-Erzähler, der uns aus einer Position außerhalb des erzählten Kosmos die Ereignisse mitteilt und das Innenleben der meisten Figuren kennt, ohne jedoch selbst als handelnde Figur beteiligt zu sein. Allerdings wird er manchmal in wertenden Kommentaren spürbar („Prinz Lir staunte argwöhnisch – ein schwieriges Kunststück – und sagte …“, S. 227). Auffallend sind die ironischen Brüche in der Erzählung, die bewusst als Mittel der Dramaturgie eingesetzt werden, um den Leser in Distanz zum Geschehen zu bringen. So wird zum Beispiel bewusst auf die Märchenhaftigkeit der Handlung hingewiesen („wir befinden uns mitten in einem Märchen und müssen gehen, wohin es führt“, S. 126), handelnde Figuren reflektieren über den Aufbau der Geschichte, in der sie selbst stecken („Ich habe schon lange drauf gewartet, dass in dieser Geschichte eine Hauptfigur auftaucht“, S. 125) oder erläutern die Grundstrukturen erzählender Literatur („Der glückliche Ausgang einer Geschichte darf nicht schon in deren Mitte stattfinden“, S. 232). Auch eine Vermischung der Realitätsebenen findet statt, wenn in der Szene im Räuberlager, an sich schon einer Parodie auf die Robin-Hood-Sage, plötzlich die „echten“ Sagenfiguren auftauchen und sich eine Diskussion darüber entspinnt, wer Wirklichkeit und wer Legende ist (S. 92). Der Roman ist chronologisch erzählt mit geringfügigen Rückblicken und einer klar erkennbaren Vorausdeutung in der Szene, in der Schmendrick dem Einhorn erzählt, wie dereinst sein Lehrer Nikos ein Einhorn in einen jungen Mann verwandelte, um es aus einer tödlichen Bedrohung zu erretten. Hier wird die spätere Verwandlung des Einhorns in Lady Amalthea vorweggenommen. Die Erzählzeit des Romans beträgt etwa vier Stunden, die erzählte Zeit dagegen umfasst ohne die Rückblicke einige Jahre, der engere Zeitrahmen (Begegnung mit dem Schmetterling – Befreiung der Einhörner) einige Monate. Insgesamt gesehen wird der Zeitablauf also gerafft wiedergegeben, wobei aber auffällt, dass die entscheidenden Szenen meist annähernd in Zeitdeckung mit vielen Dialogen dargestellt werden. Der Roman weist letztlich die klassische Grundstruktur der Fantasyliteratur, nämlich eine Quest und damit auch eine Reise auf, die den Leser zu sehr gegensätzlichen Schauplätzen führt: in den friedlichen Fliederwald, die Mitternachtsmenagerie, das verwüstete Land König Haggards mit der äußerlich blühenden, aber innerlich verrottenden Stadt Hogsgate, die sich mit dem Bösen arrangiert hat und letztlich den Preis dafür zahlt, und schließlich das verwünschte, bedrückende, beunruhigend negativ dargestellte Schloss des Königs. Die Sprache ist gekennzeichnet einerseits durch einen poetischen, metaphorischen Stil mit starken Adjektiven („blutdunkel“, S. 97; „gefrorenes Entsetzen“, S. 195) und häufigen Vergleichen („Dolche wie Fischzüge“, S. 127; „rot wie Blut, das in einer alten Wunde stockt“, S. 130), andererseits durch Sprachwitz (vgl. Szene mit dem Schmetterling S. 26 ff), Nüchternheit und eine gezielte Verwendung von Umgangssprache und diversem fachsprachlichem Vokabular in den ironisch gebrochenen Szenen („’Robin Hood ist eine Mythe’, sagte Captain Cully aufgeregt, ‚ein klassisches Beispiel der Heldengestalt im Volkslied, die sich aus zwingenden Gründen gebildet hat’“, S. 91). |
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Ich habe den Roman für diese Buchbesprechung zweimal sehr genau gelesen, das erste Mal eher pflichtschuldig, zumindest die ersten Kapitel (schließlich hatte ich dem Rudi versprochen, es zu tun), dann mit zunehmendem Interesse, am Schluss mit großem Vergnügen. Viele Zusammenhänge haben sich mir erst beim zweiten Lesen erschlossen, aber das ist ja oft so. Man sollte gute Bücher stets zumindest zweimal lesen, letztlich werden sie mit jedem Mal besser! Was mir ursprünglich missfiel, die stellenweise recht eigenwillige Sprache sowie die zahlreichen ironischen Brüche in der Erzählung, gefiel mir mit fortschreitender Lektüre immer besser, und mittlerweile finde ich, dass gerade dies den Charme des Werkes ausmacht. Für mich ist eine der wichtigsten Grundaussagen die, dass reine, unberührte, nur auf sich selbst bezogene Schönheit stets Stückwerk bleibt, solange sie nicht das dazu gewinnt, was im positivsten Sinne menschlich ist – die Liebe und Zuwendung zu einem anderen Wesen. Meine ganz persönliche Sympathie gilt, wie man vielleicht da und dort in der Analyse gespürt hat, dem Zauberer Schmendrick, der für mich vieles von dem verkörpert, was ich an Menschen schätze – Mut, Fröhlichkeit, Anpassungsfähigkeit, den unbeugsamen Willen, nicht aufzugeben, und nicht zuletzt die Fähigkeit, sich nicht zu ernst zu nehmen. Der Roman „Das letzte Einhorn“ ist eines der Schlüsselwerke der Fantasyliteratur, denn es vereinigt in sich all das, was eine gute Fantasygeschichte ausmacht. Natürlich könnte man sich noch des Langen und Breiten über die literarischen und mythologischen Wurzeln der Handlung und der Figuren auslassen, die Herkunft des Einhornmythos und die Bedeutung der einzelnen Namen erforschen und die Intentionen des Autors untersuchen, aber das würde den Rahmen dieser Buchbesprechung sprengen. Letztlich rührt dieses Werk wie alle guten Geschichten an die innersten Geheimnisse unserer Existenz und versucht die uralten Fragen der Menschheit zu beantworten: Was macht den Menschen zum Menschen? Was ist Gut, was ist Böse? Wie gehe ich damit um? Was kann wahre Liebe bewirken? Welche Rolle spielen Reinheit, Schönheit und Wahrhaftigkeit in meinem Leben? Ist König Haggards Auffassung vom Leben die richtige oder halte ich es eher mit Schmendrick, der noch in der schwärzesten Finsternis einen Funken Hoffnung zu sehen vermag? Und was der großen, unbeantwortbaren Fragen mehr sind… |
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